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September 16th - September 18th, 2022
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Ritscher, Wolf

Curriculum Vitae


Wolf Ritscher, Jg. 1948, Prof. em., Dr. phil., M.A., Dipl. Psychologe.
Ausbildungen in Familientherapie, Systemischer Therapie, Psychodrama und analytischer Gruppendynamik. Professor em. für Psychologie mit Schwerpunkt Klinische Psychologie, Familientherapie und Familiensozialarbeit an der Hochschule Esslingen, Fakultät SAGP; Systemisch-psychodramatischer Therapeut und Supervisor in eigener Praxis und lange Zeit Familientherapeut in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung. Lehrtherapeut am „Bodensee-Institut für Systemische Therapie und Beratung“ in Radolfzell und Mitglied der „Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF)“.
Ehemaliger Mitherausgeber der Zeitschrift „KONTEXT“, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von FoBis, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Carl Auer Verlages, ehemaliges Mitglied im Stiftungsrat der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Auschwitz/Oswiecim, Geschäftsführer des Vereins Lebenswerk Käthe Loewenthal e.V., Vorstandsmitglied der „Initiative Hotel Silber“, einer bürgerschaftlichen Initiative für die Erinnerung an den NS-Terror in Stuttgart und Württemberg-Hohenzollern.
Arbeitsschwerpunkte: Integration des systemischen Denk- und Therapiemodells in die Theorie und Praxis Sozialer Arbeit; Familienrekonstruktion in Ausbildungs- und Therapieprozessen; der gesellschaftliche Kontext von Therapie und Sozialer Arbeit; der NS-Staat und seine Folgen in der Generationenabfolge der Opfer, TäterInnen und ZuschauerInnen; Ausbildung von Studierenden zur Durchführung von politischen Bildungsseminaren für Jugendliche in der Gedenkstätte Auschwitz (Projekt „Erziehung nach Auschwitz“ an der Hochschule Esslingen).
Zahlreiche Buchveröffentlichungen, Beiträge in den Zeitschriften KONTEXT, Familiendynamik, Zeitschrift für systemische Therapie und diversen Sammelbänden.


Abstract


Transgenerationale Vermächtnisse und Delegationen: Die Folgen des nationalsozialistischen Terrorsystems für meine deutsch-jüdische Familie
In dem Workshop möchte ich anhand eines sechs Generationen umfassenden Genogramms meine Familie vorstellen, in der jüdisch-nichtjüdische Geschichte und Geschichten über mehrere Jahrhunderte in Deutschland zusammenkommen. Ich möchte den Einfluss von „Vermächtnissen“ (Ivan Boszormenyi-Nagy) und „Delegationen“ (Helm Stierlin) auf die transgenerationale Familiendynamik und die Biografien einzelner Mitglieder am Beispiel der Familie Loewenthal-Ritscher-Schultz, deren Teil ich selbst bin, darstellen. Ein zentrales Thema dieser Darstellung ist die von den Nationalsozialisten tödlich radikalisierte und für ihre eigenen Zwecke funktionalisierte Judenfeindlichkeit, die im deutschen Sprachraum und im ganzen „christlichen Abendland“ eine lange Tradition hat - und deren Folgen für meine Familie. Diese hatte versucht, wie seit der Aufklärung viele andere jüdische Familien auch, im Spannungsfeld zwischen jüdischer und christlich-bürgerlicher Religion-Kultur in Deutschland einen anerkannten sozialen Ort zu finden. Dies war ein Prozess, der mit Brüchen, Konflikten, Assimilationsleistungen und dem Oszillieren zwischen Inklusion und Exklusion einherging. Ich möchte an Hand meiner Familie der Frage nach den familien- und persönlichkeitsbiographischen Auswirkungen des vom „Dritten Reich“ verschuldeten „Zivilisationsbruchs“ (Dan Diner) nachgehen - dem systematischen Ausschluss sozio-kultureller Minderheiten aus der NS-„Volksgemeinschaft“ und dem
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anschließenden Mordsystem bis hin zum Genozid. Dabei hört die Geschichte nicht 1945 auf, sondern die familiale Traditionslinien gehen weiter – bis zum heutigen Tag. Das hat auch tröstliche Momente, denn die nach der nationalsozialistischen Ära Deutschlands geborenen Generationen haben die Chance einer „nachträglichen Korrektur des Familienerbes“ (Willi). Ich versuche also, Zeitgeschichte, Familiengeschichte und individuellen Biographien mittels der „Mehrgenerationenperspektive“ zu verknüpfen. Diese ist von Anfang an ein zentrales Konzept der Familiendynamik und Familientherapie, verbunden mit den Namen von Jürg Willi (Stichwort: „transgenerationalen Weitergabe und Korrektur des Familienerbes“), Ivan Boszormenyi-Nagy (Stichwort: „transgenerationale Buchführung von Verdienst und Schuld“), Helm Stierlin (Stichworte: „Delegation“ und „mehrgenerationale Loyalität“) und der Göttinger Gruppe um Eckhard Sperling (Stichwort: „psychodynamische Mehrgenerationen-Familientherapie“).