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Bindung und Migration
21. Internationale Bindungskonferenz
Gestörte Bindungen in digitalen Zeiten
16. September - 18. September 2022
Bindung und Migration

Beginnend mit den Kriterien der großen Kindeswohlprüfung im deutschen Familienrecht wird die Rolle von Bindungsbeziehungen als eines von mehreren primären Kriterien diskutiert. Obwohl Bindung bereits in einer Reihe von Studien als anhängige oder vermittelnde Variable genutzt wurde, leitet sich die empirische Rechtfertigung für Entscheidungsprozesse und Interventionen mit hochkonflikthaften Scheidungsfamilien bislang überwiegend aus nicht-experimentellen und nicht-spezifischen Befunden ab. Deshalb ist weitere Forschung mit dieser Gruppe an Familien dringend erforderlich.

In einer Studie an 100 psychologischen Sachverständigengutachten für Familiengerichte wurden empirische Zusammenhänge zwischen verschiedenen Kindeswohlkriterien untersucht. Unter Rückgriff auf ein Indikatoren-Modell für die Bindungsbeziehungen der Kinder, das sowohl Beobachtungen in bindungsrelevanten Situationen als auch Explorationen zur Bindungsrepräsentation einschloss, zeigten sich insbesondere Zusammenhänge zum geäußerten Kindeswillen. Jedoch waren diese Zusammenhänge nicht so eng, dass Explorationen zum Kindeswillen eine Einschätzung der Bindungsbeziehungen ersetzen könnten.

Wie solche Einschätzungen unter Praxisbedingungen in hochkonflikthaften Scheidungsfamilien vorgenommen werden sollten, ist noch in der Diskussion. Beruhend auf dem vom Bundesgerichtshof anerkannten Aggregationsprinzip könnte ein Modell multipler Indikatoren, das nicht-standarisierte Beobachtungen bindungsrelevanter Situationen durch trainierte Beobachter einschließt, unter Bedingungen deutscher Gesetzgebung einen gangbaren Weg darstellen.

Vor allem aber stellt die Bindungstheorie auf einer konzeptuellen Ebene Werkzeuge zur Verfügung (z.B. das Modell bedingter Bindungstrategien von Mar Main), die Wege zum Verständnis des Verhaltens von Kindern unter Bedingungen chronischer Elternkonflikte eröffnen. 

Biografie:

Heinz Kindler, Dipl.-Psych, Dr. phil, hat in Gießen und Regensburg Psychologe studiert. Die Promotion in der Bindungsforschungsgruppe von Klaus und Karin Grossmann wurde im Jahr 2001 abgeschlossen. In 2005 wurde er als Rechtspsychologe zertifiziert (DGfP/BDP). In 2013 übernahm er die Leitung der Fachgruppe „Hilfen für Familien und Kinderschutz“ am Deutschen Jugendinstitut. Zentrale Forschungsprojekte beschäftigten sich bisher mit Verfahren zur Risikoeinschätzung im Kinderschutz, der Entwicklung von Kindern in Pflege- und Adoptivfamilien (einschließlich einer Implementierungsstudie zum ABC-Training von Mary Dozier), der Prävention von sexuellem Missbrauch und sexuellen Re-Viktimisierungen, und der Qualitätsentwicklung im Kinderschutz. Herr Kindler hat zahlreiche Artikel und Bücher verfasst, darunter Bücher über Kindesvernachlässigung (zusammen mit Beate Galm und Katja Hees) oder Methoden in der Gewaltforschung (mit Nena Helfferich und Barbara Kavemann). Er hat in mehreren Kommissionen zum Kinderschutzrecht (2008-2009) und dem Abstammungsrecht (2015-2017) beim Bundesministerium der Justiz mitgearbeitet. Gegenwärtig (2016-2018) gehört er einer Enquetekommission bei der Hamburger Bürgerschaft zum Kinderschutz und der Verwirklichung von Kinderrechten an.